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#Lustwandeln im Schloss Schleißheim – Äpfel und blauer Kurfürst

#Lustwandeln im Schloss Schleißheim - Äpfel und blauer Kurfürst

#Lustwandeln auf den Spuren des blauen Kurfürsten im Schloss Schleißheim beim Tweetwalk. Über drei Stunden lang wurden ausgewählte Bloger, Twitterer & Instagrammer durch Schloss und Gärten von Schleißheim geführt. Alle hatten ein Ziel. Schleißheim bekannt zu machen und die Schönheit des Barock in Echtzeit im Netz zu verbreiten. Im Idealfall würden andere Twitterer animieret werden es gleichzutun und spontan ebenfalls auf barocken Pfaden mitwandeln.

Barock rockt!

Organisatorin Tanja Praske von Kultur Museum Talk und die Bayerische Schlösserverwaltung haben ein beeindruckendes Programm auf die Beine gestellt und uns Bloggern bekannte und unbekannte Ecken des Schlosses gezeigt. #Lustwandeln 2016 war ein voller Erfolg mit über 1.791 Tweets und über 4,4 Mio Impressions. Was genau ablief, kann man bei Storify nachlesen. Eines ist sicher: Barock rockt!

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Architektur, Kunst & Gartenkultur

Das Auffälligste beim Lustwandeln in einem Barockschloss ist die Architektur von Schloss und Garten. Man vergisst leicht, dass Schloss und Garten nicht dazu gebaut wurden als Tourismusobjekt des 20./21. Jahrhunderts zu dienen. Sondern, dass alles im Gesamtensemble bis auf das winzigste Detail durchdacht war und einem Zweck diente. Der Zweck kann symbolischer Natur sein, um den Herrschaftswillen und die Macht auszudrücken. Oder ganz alltäglichen Dingen geschuldet sein, die ein mehrere hundert Personen umfassender Hofstaat benötigt. Denn von der Magd bis zum hohen Offizier war in Schloß Schleißheim alles vor Ort, um kleine Annehmlichkeiten des Lebens sowie das Regieren eines in Europa einflussreichen Kurfürstentums sicherzustellen. Unsere Führer beim Tweetwalk zeigten und erklärten viele dieser kleinen und großen Symbole, um uns das Schloß und seine großartige Architektur erlebbar zu machen.

Symbolik als Ausdruck des Herrschaftswillen

Das Schloss Schleißheim ließ Kurfürst Max-Emanuel vor den Toren Münchens als Sommerresidenz erbauen. Als junger Mann bestieg er den Thron des Kurfürstentums Bayern. Mit gerade einmal 21 Jahren unterstütze er den deutschen Kaiser im Krieg gegen die Türken. Vor den Toren von Wien konnte er mit seinen Soldaten kriegsentscheidende Akzente setzen. Seine Heirat mit der Habsburgerin Maria Antonia ließ ihn hoffen den spanischen Thron zu besteigen. Das Schloss Schleißheim sollte diesen Machtanspruch auf höchste Königs- oder Kaiserwürde Ausdruck verleihen. Das große Vorbild für die Pläne von Schleißheim lieferte das Schloss Versaille bei Paris.

Eingangsbereich / Treppe

Um uns das Schloss aus der Sicht eines Gastes von Max-Emauel erlebbar zu machen, wurden zunächst der „normale“ Weg zu den Räumlichkeiten eingeschlagen. Normal in „“, denn nicht jeder Gast kam in den Genuss, auch nur die Treppe zur oberen Etage besteigen zu dürfen. Die Wichtigkeit einer Person war direkt ablesbar an dem Raum bis zu dem er vordringen durfte.

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Treppenhaus und Großer Saal

Das Treppenhaus und der Große Saal sind geprägt vom Machtanspruch und der Wehrhaftigkeit des Bayerischen Kurfürsten. Der erste Blick beim Treppenaufgang geht hinauf zum Wappen. Seht her, hier beim Kurfürsten von Bayern seid ihr! Die zweiten und weiteren Blicke werden auf Helme und Kriegsgeräte aller Art in Form von Stuck und auf Fresken gelenkt.

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Natürlich wird auch der Türkenkrieg mehrfach im Schloß dargestellt. Das Gemälde im Großen Saal dominiert den Raum. Auch die Verhandlung mit den türkischen Feldherren wurde auf Leinwand gebracht. Auf jedem Gemälde ist der blaue Rock des Kurfürsten dargestellt. Heute würde man sagen, es war das Corporate Identity Merkmal von Max-Emanuel, genannt der Blaue Kurfürst.

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Galerie – es wird friedlicher

Ab der Galerie wird es friedlicher. Hier wird der Kunst gebührend Raum gegeben. Auf der einen Seite Gemälde, auf der anderen Seite der Blick auf den großartigen Barockgarten.

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Gesindestuben – einzigartige Aussichten

Richtig interessant wird es nun für die Besucher des Tweetwalks. Denn nun geht es dorthin, wo man als normaler Schlossbesucher nicht hinkommt. Durch verborgene Türen und Gänge hinauf bis unter das Dach. Sogar auf das Dach, um den schönsten aller Blicke auf den Garten werfen zu dürfen.

Früher waren die Räume unter dem Dach genutzt – hier lebte das Gesinde. Es galt, je weiter oben es wohnte, desto niedriger der Stand im Hauswirtschaftsablauf. Von hier oben hatte man einen tollen Ausblick auf den Garten. Jedoch waren die Dachräume ungedämmt und somit im Sommer heiß und stickig und in Übergangszeiten schnell zugig und klamm.

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In einem Barockgarten sind Architektur sowie die Pflanzen der Star. Eine immer noch gepflanzte Geranie besticht durch ihre roten Blüten und den sehr bunten Blättern. Jetzt im Okober waren leider nur noch einige mehr oder weniger gute Reste der bunten Blätter zu bestaunen. Um die Blüten zu sehen, werde ich im kommenden Sommer wieder vorbei schauen müssen.

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Garten und Zahlensymbolik

Wie wichtig Zahlen und deren Symbolik waren, kann man an den geometrischen Formen im Garten erkennen. Der Leiter des Gartens erzählte von der mühevollen Recherche, die notwendig war, um den Garten wieder in den jetzigen Zustand zu bringen. Der 2. Weltkrieg hatte natürlich seine Spuren in Schloß und Garten hinterlassen. Beim Wiederaufbau in der Nachkriegszeit gab es die üblichen finanziellen Zwänge, so dass insbesondere der Garten nicht originalgetreu wiederhergestellt wurde. Für die Rekonstruktion ab dem Jahr 2008 wurden Originalpläne von Effner aus Wien, sowie Luftbilder und gartenarchäologische Grabungen herangezogen. Spannend, wie aus diesen Puzzelstückchen nach und nach der Aufbau und die Geometrie der barocken Anlage zusammengefügt wurde.

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Im Prinzip hatten die Gärtner verstanden, wie der Garten aufgebaut war. Und trozdem. Ein kleines Teil blieb zunächst verborgen – die mathematische Seite. Sie wussten, es muss einen Wert geben, mit dem sich alles auf glatte Zahlen herunterbrechen lassen kann. Verschiedene Maßzahlen wurden ausprobiert. Alter bayerischer Fuß, neuer bayrischer Fuß, nichts passte. Durch Zufall stießen sie nach langer Suche auf eine Zeichnung in der das Schloß in seiner Breite mit genau 100 Fuß bemaßt war. Mit diesem bis dahin unbekannten Fuß-Maß lösten sich alle Fragen auf. Die magische Zahl Acht tauchte nun fortwährend auf. In Oktogonen, als Radius, Durchmesser, Vielfaches.

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Gärten zur Versorgung des Hofstaates

Die Lebensmittel für täglichen Bedarf und Festveranstaltungen im Schloss mussten möglichst nah am Schloß produziert werden. Der Aufwand mehrere hundert Personen zu versorgen war im 18. Jahrhundert ohne LKW und perfekter Bundesstraße groß genug. Gemüse und Kleinvieh wurden daher in der Nähe angebaut und aufgezogen. Ein Obstgarten zur Grundversorgung wurde gleich neben dem Schloß eingerichtet. Hygienisch einwandfreies Wasser war bis ins 20. Jahrhundert nur selten verfügbar. Bier und Wein daher oft die einfachste und einzige Art trinkbare Flüssigkeiten zu sich zu nehmen. Viele Jahrzehnte gab es daher eine Schloßbrauerei, die den Hofstaat mit Bier versorgte. Eine Brennerei konservierte das Obst der Gärten in flüssiger Form.

Heute gibt es keine Schloßbrauerei mehr. Die Brennerei wurde inzwischen wiederbelebt und verwandelt das heimische Obst in Edelbrände. Sie werden veräußert als „Blauer Kurfürst“, „Eremitentrost“, „Barockliebelei“ oder „Renatuswasser“, d.h. Zwetschgenbrand, Apfelbrand, Schlehenlikör oder Obstbrand.

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Der Landesfürst als Hüter der Zucht von Pflanzen und Tieren

Was heute oft im Aufgabenbereich von Universitäten und Unternehmen liegt, darum kümmerte sich ein gut sorgender Landesfürst früher mit seinen Beamten selbst. Die Erhaltung und Neuzucht von Pflanzen und Tieren war ein bedeutsamer Bereich, da doch die gesamte Grundversorgung des Landes mit Nahrungsmitteln und Transport davon abhingen. Bei den Pferden, die damals als Ackergaul oder Cavalleriepferd wichtigen Dienst zur Nahrungsmittelproduktion und Kriegstätigkeiten taten, wurden Gestüte unterhalten. Die Auswahl und Bereitstellung der Vatertiere für die Bauern oblag und obliegt in Bayern dem Haupt- und Landgestüt Schwaiganger.

Der Obstgarten im Schoss Schleißheim wurde neben der Versorung mit Lebensmitteln dazu genutzt, dass bestehende Obstsorten erhalten und neue, den Umweltbedingungen möglichst besser angepasste Obstsorten gezüchtet wurden. Dafür wurden eine ganze Reihe an Apfel- und Birnenbäumen als Mutterbäume unterhalten. Mutterbaum deshalb, um aus dieser Sorte neue Bäume zu vermehren. Die Schlossgärtner erinnerten daran, dass jeder ordentlich Früchte tragender Obstbaum ein veredelter Obstbaum ist. Steckt man einen reifen Apfel einer beliebigen Sorte in den Boden, so erhält man aus dieser Frucht nur einen Wildapfel mit nur sehr kleinen Früchten. Vermehrt werden diese Bäume, indem im unteren Stammbereich ein Wildapfel wächst und oben der Veredelungsapfel. Beide werden z.B. als Steckling mittels Pfropfen miteinander verbunden. Und damit im Kurfürstentum Bayern genügend Bäume und vielfältige Sorten durch die Bauern angebaut werden konnte, hat sich der Landesfürst um deren Bereitstellung gekümmert.

Heute sehen sich die Gärtner des Schloß Schleißheims als Bewahrer eines vielfältigen Genpools für alte Obstsorten. Ein wahrer Schatz war lange im Garten nicht gepflegt worden und wird nun sanft wieder vermehrt und erhalten. So gibt es im Obstgarten noch eine Birne mit Namen Kuhfuß. Und die Äpfel heißen z.B. Goldparmäne, Gewürzluiken, Gelber Bellefleur, Blenheim, Glockenapfel, Laxton Superb.

Im Rahmen des Tweetwalks konnten wir einige Äpfel verkosten. Da die Äpfel nicht gepritzt werden, sehen sie zum Teil abenteuerlich aus. Der Geschmack aber überzeugt! Jeder schmeckt anders und wunderbar intensiv. Auch was den Zeitpunkt der Reife und die Lagerfähigkeit der Äpfel angeht, liegt dort ein Schatz vergraben. Von frühreifen Apfelsorten im Juli/August bis spätreife im Oktober, wie auch sofort verzehrbare oder bis März lagerfähige. Die ganze Bandbreite ist vorhanden.

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Liebe Leser, Ihr seht, ich war und bin ganz begeistert vom #Lustwandeln in Schloss Schleißheim. Es ist die Kombination aus „da wollte ich schon längst mal hin“ und der Begeisterung für Architektur, gepaart mit dem entdeckten kulinarischen Schatz alter Obstsorten. Das Ganze perfekt organisiert und vorgetragen von Tanja Praske und dem Team der Schlösserverwaltung.

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Noch mehr zu lesen, hören & sehen

Wenn so viele Social Media Menschen und auch noch die „alten Medien“ vertreten sind, dann gibt es auch weitere Berichterstattung. Vom Bloggerclub waren neben Tanja auch noch Alexandra, Markus und Ricarda dabei und haben ebenfalls ihre Eindrücke vom #Lustwandeln aufgeschrieben. Veröffentlicht wurde auch noch ein schöner Audiobeitrag von Heinrich R. Bruns, ein Fernsehbeitrag vom BR und ein gedruckter Artikel in der SZ.

9 Kommentare

  1. Liebe Sylvia,

    wow – ich bin beeindruckt, was du alles von der Führung mitgenommen hast – grandios! Und das obwohl du auf Smartphone schautest und Fotos geschossen hast, während dir die Geheimnisse verraten wurden – klasse!

    Sind schon witzige Namen, diese alten Apfelsorten. Ich werde auch nochmals hinfahren, Mini kosten lassen und dann zuschlagen mit hässlichen, aber lecker schmeckenden Äpfeln.

    Danke, dass du dabei warst!

    Herzlich,
    Tanja

    • Spaetburgunder sagt

      Das ist sozusagen die Kurzfassung – ich hätte noch viel mehr schreiben können! 😀 Danke für den schönen Tag in Schleißheim und diese außergewöhnlich tolle Führung!

  2. Pingback: Tweetwalk #Lustwandeln in Schleißheim - Gast beim "Blauen Kurfürsten"

  3. Pingback: Wieder virenschleuderpreisverdächtig – der Tweetwalk „#Lustwandeln auf den Spuren des ‚Blauen Kurfürsten‘ in Schleißheim“ – Geschichte Bayerns

  4. Gesine Zenker sagt

    Liebe Sylvia,

    was für ein toller Beitrag! Es ist unglaublich, dass du so viele Eindrücke von dem dreistündigen Tweetwalk in Schleißheim gesammelt und in einen so detaillierten und sehr schön geschriebenen Artikel verpackt hast. Wirklich großartig!

    Vielen Dank für deinen schönen Beitrag und dass du mit uns zusammen Schleißheim erkundet hast!

    Liebe Grüße aus Nymphenburg
    Gesine von der Schlösserverwaltung

    • Spaetburgunder sagt

      Danke! Der Tweetwalk hat mit so viel Spaß gemacht, die Führung war einfach klasse!

  5. Pingback: Tweetwalk: Lustwandeln in Schloss Schleißheim - Traveling the World

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